Das schöne Geld!

Freilandtheater Bad Windsheim

Die neue Produktion des Freilandtheaters Bad Windsheim 2023

Erstmals seit der Pandemie spielt das Freilandtheater Bad Windsheim wieder unter normalen Bedingungen an einem festen Spielort. Vor dem Weinberg des Freilandmuseums entsteht ein Biergarten mit musikalischer Unterhaltung, ein großer historischer Bauernhof bildet die linke Flanke, rechts steht auf einem von Apfelbäumen gesäumten Weg ein alter Austin.

Eines sei vorausgeschickt, diese Produktion ist sehenswert, hörenswert, erfühlenswert, erlebenswert. Das Ensemble aus Laiendarsteller:innen, darunter viele Kinder und Jugendliche, sowie ausgebildeten Schauspieler:innen und Musiker:innen, spielt, singt und musiziert auf hohem Niveau und bringt 2 ½ Stunden lang einen durchweg unterhaltsamen und berührenden Abend auf die Bühne. Wieder verblüfft die Professionalität aller Agierenden, ihre Direktheit im Spiel, die unaufgeregte Selbstverständlichkeit ihres Tuns, was sicher auch dem jahrelangen Training mit dem Regieteam Christian Laubert, Rolf Kindler und Levent Özdil zu verdanken ist.

Freilandtheater Bad Windsheim Musik

Lauberts Stück, seine und Kindlers Liedtexte, die Kompositionen von Horst Faigle und die Kostüme von Marette Oppenberg führen uns in den Sommer des Jahres 1923. Der I. Weltkrieg ist nur wenige Jahre vorbei und hat Spuren an Körpern und Seelen der Bewohner hinterlassen, die Inflation grassiert. Die Menschen eines kleinen fränkischen Dorfes, Juden, Katholiken und Protestanten, leben nicht nur friedlich zusammen, sondern entwickeln einen gemeinsamen Plan, um der zermürbenden Geldentwertung zu begegnen. Sie erfinden die sogenannte „Schoppenwährung“, die durch die Weinvorräte des Gastwirtes gedeckt ist und mit der man sich gemeinsam der Not entgegenstemmen will.

Das Produktionsteam hat sich bewusst für einen historischen Abschnitt entschieden, der zahlreiche Parallelen zu unserer eigenen Zeit aufweist: „Damals wie heute werden Gewissheiten erschüttert, an die wir entweder geglaubt oder an die wir bisher keinen Gedanken verschwendet haben“, so im Programmheft. Fast ein wenig unbesorgt gehen die Dorfbewohner mit Problemen wie der gezielten politischen Desinformation, der Suche nach Sündenböcken, dem Rassismus oder des Me Too der Zwanziger Jahre um, doch gerade deshalb legt sich das Leben der erdachten Figuren unmerklich wie eine Schablone auf unsere eigene Gegenwart. Auch wir leben mit den Scheuklappen des täglichen Kleinkleins, während wir die Drastik der großen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen oft ausblenden, nicht bemerken (können), hinnehmen oder erst in der Rückschau verstehen.

Die künstlerische Handlung und ihre erdachten Figuren schaffen zudem während des gesamten Abends ein Spannungsverhältnis zum realen Ausgang der Geschichte, und gerade die Leichtigkeit der szenischen Erzählung ist es, die uns den Schmerz darüber doppelt spüren lässt. Der Junge Adolf Rosenbaum wandert nach Palästina aus, um dort im Kibbuz sein Glück zu suchen und möchte seine angebetet Eva nachholen. Da er erst 14 und sie schon 19 ist, lacht sie ihn aus, wir aber fiebern im Wissen um das tatsächliche Ende der jüdischen Bevölkerung mit Adolf mit und wünschen, dass das junge Mädchen die Chance ergreife. Und als die Liebenden, die Schauspielerin Claire Lasser (Fenja Annika Abel) und der Drucker Josef Munz (Levent Özdil), endlich zueinanderfinden und mit den gestohlenen Dollars eines Filmproduzenten auswandern, breitet sich Erleichterung aus – sie werden gerettet sein.

Als niemand den Nazi spielen will, fällt der Schnickschnackschnuck-Entscheid der Theatertruppe auf die Darstellerin, die man bis dahin bezaubernd spielend und singend als Kellnerin erlebt hat (Luise Hagedise Bernburg, eine echte Neuentdeckung!). Sie wird als Marga Merkle zur fränkischen Außenstelle der „Bewegung“ und versucht, die Dörfler mit völkischen Ideen zu impfen, um eine ländliche Basis für den bevorstehenden Hitlerputsch in München zu errichten.

In den heutigen Debatten um „kulturelle Aneignung“ nimmt das Team einen klaren Standpunkt ein und begreift diese als „ein Grundprinzip jeder künstlerischen Arbeit“: „Kunst ist nur in der schöpferischen Auseinandersetzung mit dem Fremden denkbar. Und da Kunst auch immer über das hinausweist, womit sie sich beschäftigt, darf sie sich Freiheiten nehmen, die einem Historiker nicht erlaubt wären“, so das Credo.
Das Freilandtheater Bad Windsheim präsentiert mit „Das schöne Geld“ einen gleichsam romantischen wie scharf durchdachten Abend, einen Abend der Gefühle, der das Denken in Gang setzt und sich in das Gedächtnis einschreibt.

Wer mehr über die historischen Hintergründe des Stoffes und die künstlerische Motivation des Teams erfahren möchte, sollte sich das Programmheft mit wunderschönen Szenenfotos (Andreas Riedel), den Liedtexten und lesenswerten Hintergrundinformationen unbedingt kaufen.

Blog Dr. Susanne Schulz

Dr. Susanne Schulz

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