Theater lebt – Auch in der Erinnerung (Folge 7)

Luther

MUT

Liebe Leserinnen und Leser,
mit der heutigen Folge möchte ich Ihnen Mut machen. Mut zur Entwicklung.
Vielleicht sind Sie oder eine Ihrer Angehörigen erkrankt, vielleicht steht Ihr Unternehmen auf der Kippe, vielleicht sind Sie von Depressionen geplagt und halten es zu Hause nicht mehr aus. Vielleicht sind Sie mit Ihren Kindern überfordert. Viele wissen nicht, wie es weitergeht. Jede und jeder hat in dieser Zeit sein Päckchen zu tragen. Aber vielleicht haben Sie auch ein altes Talent wiederentdeckt, vielleicht haben sie lange Telefongespräche mit Menschen geführt, für die sonst nie Zeit war. Vielleicht möchten Sie sich beruflich neu orientieren. Vielleicht hat Ihnen das unglaubliche Elend der Menschen in sehr armen Ländern oder jenen auf der Flucht die Augen für Ihr eigenes Glück geöffnet.
Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie diese Zeit als ein Geschenk betrachten können. Als eine Zeit der Entwicklungsmöglichkeiten. Denn wenn alles vorbei ist, wird nichts mehr so sein wie vorher. Und wir alle müssen vorbereitet sein. Nutzen Sie jetzt die Gelegenheit, die Weichen für ein positives „Danach“ zu stellen. Ich wünsche Ihnen dafür von Herzen Mut, Phantasie und Handlungsbereitschaft.

Auch während der Wirren der Reformationszeit und der anschließenden gesellschaftlichen Neuorientierung, war nichts mehr so, wie es einst gewesen war. Nur eines ist wie eine bösartige Konstante in der Menschheit verblieben: der Rassismus in all seinen Schattierungen und Ausformungen. Es liegt an uns, ihn endlich abzuschaffen.

Das Bild zeigt Luther am Ende seines Lebens. Friederike Köpf beschreibt seine dunklen, manchmal unbegreiflichen Seiten. Luther trifft auf den Kindlichen Ahnen jener Rabbiner, die Luther 1525 besucht hatten, um mit ihm über das Evangelium zu disputieren. Sie suchten Beistand beim Reformator, so der Ahne (Hartmut Scheyhing). Luther aber verdammte die Juden und schreibt dies in einem Brief an seine Frau Käthe. Er zielt auf ihre Vertreibung. Der Ahne fragt Luther aus seiner heutigen Perspektive, ob er nicht damit aufhören könne, diese Briefe zu schreiben. Plötzlich treffen zwei Epochen in einem Moment der zeitlichen Ballung aufeinander. Jede aus ihrer Richtung, aufgeladen mit Antisemitismus, Vertreibung, Vernichtung.
Luther stirbt. „Es weht ein kalter Wind über diese Stelle“, raunt der Chor im Kirchengestühl. Sie heulen, zischen, pfeifen eisige Windgeräusche und skandieren in immer leiser werdenden Wiederholungen „es weht ein kalter Wind über diese Stelle“. Luther legt sein Gewand ab, der Darsteller wird zu einem heutigen Menschen in moderner Kleidung. Der jüdische Ahne will sich entfernen, Luther hält ihn zurück:

Luther: Warte! So bleib. Ich will deine Geschichte und die deines Volkes hören.
Der kindliche Ahne: Den Anfang kennen Sie.
Luther: Den Anfang kenne ich.
Der kindliche Ahne: Es könnte ein bißchen weh tun.
Luther: Ja, das wird es wohl.
BLACK

Gerald Leiß war ein genialer Luther. Zornig, mutig, zweifelnd, denkend, lehrend, glaubend, bestimmend, zart und zerbrechlich, aufbrausend und jähzornig, schwach und trauernd, fröhlich und kühn, ehrwürdig und maßregelnd. Dieser Schauspieler ging durch alle Gehirnwindungen des Reformators Luther und durch alle Lebensalter des Menschen Martin. Vom unsicheren Mönch reifte er zum Lehrer und Rebellen und verwelkte als greiser Antisemit und verwundbarer Mensch. Er alterte im Lauf der Inszenierung innerlich und sichtbar. Ein Phänomen, das ich bei einem Schauspieler in dieser Intensität nie wieder gesehen habe: war er als Mönch jung, schlank und flink, so wurde er im Laufe der Vorstellung nicht nur gebrechlicher, sondern auch immer fülliger. Von innen heraus blähte sich sein Gesicht auf, wurde sein Körper schwerer. Ich danke Gerald Leiß überaus, dass er meinen Rollenvorschlag angenommen hat und „mein“ Luther wurde. Er war für mich ein sehr wichtiger Partner für die spielerischen Findungen, aber auch ein unerlässlicher Gesprächspartner im Ringen um die intellektuelle Erfassung der Lutherschen Glaubenslehre.

Wenn Sie Gerald Leiß erleben möchten, so besuchen Sie ihn auf seinem YoutubeLivestream. Er liest dort von Mo-Sa um 19:30 Uhr Ihre Textvorschläge.
(Fortsetzung folgt)

LUTHER! DAS KLARE WORT von Friederike Köpf
Premiere 4. März 2017, Theater Ansbach, Schwanenritterkapelle in St. Gumbertus
Inszenierung: Susanne SchulzBühnenbild und Kostüme: Jan Hax HalamaMusikalische Leitung: Hartmut ScheyhingChoreographische Mitarbeit: Claudia DölkerMit: Hartmut Scheyhing, Gerald Leiß

Luther

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Blog Dr. Susanne Schulz

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